Gegenseitiges Anerkennen ist ein Prozess.
„Er ist ein Kampf; denn ich kann mich im Anderen nicht als mich selbst wissen, insofern das Andere ein unmittelbares anderes Dasein für mich ist; ich bin daher auf die Aufhebung dieser seiner Unmittelbarkeit gerichtet. Ebensosehr kann ich nicht als Unmittelbares anerkannt werden, sondern nur insofern ich an mir selbst die Unmittelbarkeit aufhebe und dadurch meiner Freiheit Dasein gebe. Aber diese Unmittelbarkeit ist zugleich die Leiblichkeit des Selbstbewußtseins, in welcher es als in seinem Zeichen und Werkzeug sein eigenes Selbstgefühl sowie sein Sein für andere und seine es mit ihnen vermittelnde Beziehung hat.
Zusatz.
Die nähere Gestalt des im Zusatz zum vorhergehenden Paragraphen angegebenen Widerspruchs ist die, daß die beiden sich zueinander verhaltenden selbstbewußten Subjekte, weil sie unmittelbares Dasein haben, natürliche, leibliche sind, also in der Weise eines fremder Gewalt unterworfenen Dinges existieren und als ein solches aneinander kommen, zugleich aber schlechthin freie sind und nicht als ein nur unmittelbar Daseiendes, nicht als ein bloß Natürliches voneinander behandelt werden dürfen. Um diesen Widerspruch zu überwinden, dazu ist nötig, daß die beiden einander gegenüberstehenden Selbste in ihrem Dasein, in ihrem Sein-für-Anderes, sich als das setzen und sich als das anerkennen, was sie an sich oder ihrem Begriffe nach sind, – nämlich nicht bloß natürliche, sondern freie Wesen. Nur so kommt die wahre Freiheit zustande; denn da diese in der Identität meiner mit dem anderen besteht, so bin ich wahrhaft frei nur dann, wenn auch der andere frei ist und von mir als frei anerkannt wird. Diese Freiheit des einen im anderen vereinigt die Menschen auf innerliche Weise, wogegen das Bedürfnis und die Not dieselben nur äußerlich zusammenbringt. Die Menschen müssen sich daher ineinander wiederfinden wollen. Dies kann aber nicht geschehen, solange dieselben in ihrer Unmittelbarkeit, in ihrer Natürlichkeit befangen sind; denn diese ist eben dasjenige, was sie voneinander ausschließt und sie verhindert, als freie füreinander zu sein. Die Freiheit fordert daher, daß das selbstbewußte Subjekt weder seine eigene Natürlichkeit bestehen lasse noch die Natürlichkeit anderer dulde, sondern vielmehr, gleichgültig gegen das Dasein, in einzelnen unmittelbaren Händeln das eigene und das fremde Leben für die Erringung der Freiheit auf das Spiel setze. Nur durch Kampf kann also die Freiheit erworben werden, die Versicherung, frei zu sein, genügt dazu nicht, nur dadurch, daß der Mensch sich selber, wie andere, in die Gefahr des Todes bringt, beweist er auf diesem Standpunkt seine Fähigkeit zur Freiheit.“ (G.W.F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, 1830, § 431)