Kooperation als gemeinsames Handeln

Aus philosophischer Sicht beinhaltet die Betrachtung von Kooperation als “gemeinsames Handeln” die Erforschung der tieferen Konzepte und Implikationen kollaborativer Bemühungen. Diese Perspektive befasst sich mit Fragen der Intentionalität, des Handelns, gemeinsamer Ziele und der Natur kollektiver Handlungen. Im Folgenden wird erläutert, wie Kooperation philosophisch als gemeinsames Handeln verstanden werden kann:

1. Intentionalität:

  • Gemeinsame Absicht: Kooperation bedeutet, dass Einzelpersonen oder Einheiten absichtlich mit einer gemeinsamen Absicht oder einem gemeinsamen Ziel zusammenkommen. Sie erkennen, dass sie durch gemeinsames Handeln Ergebnisse erzielen können, die einzeln nicht erreichbar wären.
  • Bewusste Entscheidung: Jeder Teilnehmer entscheidet sich bewusst dafür, zu den gemeinsamen Bemühungen beizutragen und seine individuellen Absichten mit dem Ziel der Zusammenarbeit in Einklang zu bringen.

2. Agency und geteilte Agency:

  • Individuelle Handlungsfähigkeit: Handlungsfähigkeit bezieht sich auf die Fähigkeit des Einzelnen, Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zu ergreifen. In der Zusammenarbeit behält jeder Teilnehmer seine individuelle Handlungsfähigkeit, d. h. er leistet seinen Beitrag auf der Grundlage seines eigenen Willens und seiner eigenen Entscheidung.
  • Gemeinsame Handlungsfähigkeit: Beim gemeinsamen Handeln bringt der Einzelne seine Handlungsfähigkeit in ein kollektives Vorhaben ein. Die kombinierte Handlungsfähigkeit aller Teilnehmer schafft eine gemeinsame Handlungsfähigkeit, bei der die Zusammenarbeit zu einer Einheit mit eigenen Absichten und Handlungen wird.

3. Gegenseitige Beeinflussung:

  • Interdependenz: Die Handlungen der Teilnehmer in der Zusammenarbeit sind miteinander verbunden und voneinander abhängig. Die Handlungen der einen Person können die Handlungen der anderen beeinflussen oder von ihnen beeinflusst werden.
  • Gegenseitige Befähigung: Die Teilnehmer stärken sich gegenseitig durch ihre Beiträge. Der kollektive Effekt ist größer als die Summe der individuellen Bemühungen, was die Stärke der Zusammenarbeit zeigt.

4. Koordinierte Anstrengungen:

  • Harmonisierung: Gemeinsames Handeln beinhaltet die Harmonisierung individueller Aktionen zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels. Dies kann die Zuweisung von Rollen und die Aufteilung von Aufgaben beinhalten und sicherstellen, dass die Bemühungen koordiniert und aufeinander abgestimmt sind.
  • Einheit in Vielfalt: Die Teilnehmer bringen unterschiedliche Fähigkeiten, Perspektiven und Stärken in die Zusammenarbeit ein. Die kollektive Anstrengung nutzt diese Unterschiede, um komplexere Aufgaben zu bewältigen.

5. Gemeinsame Ziele und Werte:

  • Gemeinsamer Zweck: Gemeinsames Handeln erfordert einen gemeinsamen Zweck oder ein gemeinsames Ziel, das von allen Teilnehmern unterstützt wird. Dieser gemeinsame Zweck gibt die Richtung der gemeinsamen Bemühungen vor. Die Kausalbeziehungen individueller Zwecke werden zu einem wechselwirkenden System – zu einer “sich verselbstständigenden Ursache” (Hegel).
  • Wertausrichtung: Die Zusammenarbeit setzt häufig voraus, dass die Werte der Teilnehmer mit dem Ziel der Zusammenarbeit übereinstimmen. Diese Übereinstimmung fördert ein Gefühl des Engagements und der Hingabe für das gemeinsame Vorhaben.

6. Entstehende Eigenschaften:

  • Kollektive Ergebnisse: Wenn Einzelpersonen gemeinsam handeln, führen die kombinierten Handlungen zu neu entstehenden Eigenschaften, die sich von den individuellen Handlungen unterscheiden. Das Ergebnis ist ein Resultat der kollaborativen Synergie.

7. Ethische Überlegungen:

  • Ethik der Zusammenarbeit: Aus philosophischer Sicht umfasst die ethische Dimension der Zusammenarbeit die gerechte Verteilung des Nutzens, die Achtung der individuellen Handlungsfähigkeit und die moralischen Implikationen kollektiver Handlungen.
  • Ethik der gemeinsamen Absichten: Die gemeinsamen Absichten und Ziele der Zusammenarbeit erfordern von den Teilnehmern oft die Einhaltung ethischer Grundsätze, die Wahrung der Transparenz und die Gewährleistung gegenseitigen Respekts.

8. Philosophische Theorien:

  • Kollektive Intentionalität: Philosophen wie John Searle haben die kollektive Intentionalität erforscht, bei der Einzelpersonen einer Gruppe Absichten zuschreiben, die es ihnen ermöglichen, gemeinsam als eine Einheit zu handeln.
  • Soziale Vertragstheorie: Kooperation kann als Ausdruck der sozialen Vertragstheorie gesehen werden, bei der Individuen Vereinbarungen zum gegenseitigen Nutzen eingehen und bestimmte individuelle Freiheiten für das größere Wohl opfern.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die philosophische Betrachtung von Kooperation als “gemeinsames Handeln” die absichtlichen, aufeinander abgestimmten Bemühungen von Einzelpersonen oder Einrichtungen zur Erreichung gemeinsamer Ziele betont. Sie beinhaltet ein dynamisches Zusammenspiel zwischen individuellem Handeln, gemeinsamen Absichten, koordinierten Aktionen und dem Entstehen kollektiver Ergebnisse. Diese Perspektive lädt dazu ein, über das Wesen der Zusammenarbeit, die Handlungsfähigkeit, ethische Überlegungen und die Art und Weise nachzudenken, wie Menschen zusammenkommen, um mehr zu erreichen, als sie es alleine könnten.