Genossenschaft

Die Genossenschaft ist eine weitere Rechtsform, die Kooperation im Kern trägt.

Die Genossenschaft: Das Prinzip der Selbsthilfe als organisierte Kooperation

Nachdem wir uns durch verschiedene Formen der Zusammenarbeit im Recht bewegt haben – von der vertraglichen Leistung bis zur idealen Gemeinschaft des Vereins – wenden wir uns nun einer besonderen Rechtsform zu, die Kooperation als primäres Wirtschafts- und Lebensprinzip versteht: der Genossenschaft. Geregelt im Genossenschaftsgesetz (GenG), ist sie ein Zusammenschluss von Personen, die sich gegenseitig fördern wollen, und damit ein Modell für organisierte Selbsthilfe.

Was ist eine Genossenschaft?

Eine Genossenschaft ist eine Gesellschaft von Personen, deren Zweck vornehmlich darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern1 (§ 1 GenG).

Das Schlüsselwort hier ist die Förderung der Mitglieder. Anders als bei Kapitalgesellschaften, die primär die Gewinnerzielung für externe Anteilseigner zum Ziel haben, steht bei der Genossenschaft das Interesse der Mitglieder im Vorder Vordergrund. Die Mitglieder sind gleichzeitig Miteigentümer und Nutznießer der Genossenschaft.

Beispiele für Genossenschaften sind vielfältig:

  • Wohnungsgenossenschaften: Mitglieder sind Mieter und Miteigentümer, die sich gegenseitig günstigen Wohnraum verschaffen.
  • Banken (Volksbanken, Raiffeisenbanken): Mitglieder sind Kunden und Miteigentümer, die von den Bankdienstleistungen profitieren und an Entscheidungen teilhaben.
  • Einkaufsgenossenschaften: Einzelhändler schließen sich zusammen, um bessere Einkaufskonditionen zu erzielen.
  • Erzeugergenossenschaften: Landwirte vermarkten gemeinsam ihre Produkte.
  • Energiegenossenschaften: Bürger produzieren und nutzen gemeinsam erneuerbare Energien.

Kooperation als Gründungsgedanke: Die Genossenschaft als gelebtes „Wir-Prinzip“

Die Genossenschaft ist in ihrem Wesen eine Kooperationsgemeinschaft. Ihr Rechtsgrundsatz ist das Prinzip der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung.

  1. Die Mitgliederförderung als intrinsischer Kooperationszweck:Der Zweck einer Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder. Das bedeutet, dass sich die Mitglieder nicht gegenseitig Konkurrenz machen, sondern sich gegenseitig unterstützen, um einen gemeinsamen Vorteil zu erzielen, den der Einzelne alleine nicht erreichen könnte. Ob es darum geht, günstigen Wohnraum zu bekommen, bessere Einkaufskonditionen zu erzielen oder gemeinsame Produkte zu vermarkten – die Kooperation ist hier unmittelbar auf den Nutzen der Mitglieder ausgerichtet. Dieses „Wir-Prinzip“ ist der Kern ihrer Existenz.
  2. Gleichheit und Demokratie: Kooperation auf Augenhöhe:Ein zentrales kooperatives Element ist das Prinzip „Ein Kopf, eine Stimme“ in der Generalversammlung, unabhängig von der Höhe der Geschäftsanteile. Dies gewährleistet die Gleichheit der Mitglieder in der Willensbildung und fördert eine demokratische Entscheidungsfindung. Die Kooperation wird hier nicht durch Kapitalmacht, sondern durch den gleichberechtigten Dialog und die gemeinsame Abstimmung getragen. Es ist ein lebendiges Beispiel für gelebte Partizipation und kollektive Selbstbestimmung.
  3. Beitragspflicht und gemeinschaftliches Risiko: Solidarität in der Praxis:Jedes Mitglied leistet einen Beitrag (Geschäftsanteil) und ist am gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb beteiligt. Dies ist eine direkte Form der Kooperation: Man trägt gemeinsam die Lasten und teilt die Risiken und Chancen des Unternehmens. Die gemeinsame Haftung (oft beschränkt auf die Geschäftsanteile) unterstreicht diese Solidarität und das gemeinsame Schicksal. Die Genossenschaft demonstriert, wie Sicherheit und Stärke aus dem Zusammenschluss entstehen können.
  4. Umfassende Informations-, Kontroll- und Treuepflichten: Vertrauen durch Transparenz:Genossenschaften sind zu hoher Transparenz verpflichtet. Mitglieder haben weitreichende Informations- und Kontrollrechte (z.B. Einsicht in Geschäftsunterlagen, Teilnahme an der Generalversammlung). Dies fördert das Vertrauen innerhalb der Gemeinschaft und ermöglicht eine effektive Überwachung der Geschäftsführung. Die Treuepflicht der Mitglieder gegenüber der Genossenschaft ist hier besonders ausgeprägt, da sie das wirtschaftliche Fundament der Gemeinschaft absichert und die Zusammenarbeit auf eine verlässliche Basis stellt.
  5. Nachhaltigkeit und langfristige Ausrichtung: Kooperation für Generationen:Genossenschaften sind nicht primär auf kurzfristige Gewinnmaximierung für externe Investoren ausgerichtet, sondern auf die langfristige Förderung ihrer Mitglieder und eine nachhaltige Entwicklung des Geschäftsbetriebs. Dies manifestiert sich oft in einer starken regionalen Verwurzelung und einem Verantwortungsbewusstsein für die Gemeinschaft. Diese langfristige Kooperation kommt nicht nur den aktuellen Mitgliedern zugute, sondern auch zukünftigen Generationen.

Fazit: Die Genossenschaft als Modell für eine sozialere Wirtschaft

Die Genossenschaft ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Wirtschaften und Kooperation Hand in Hand gehen können. Sie beweist, dass es Alternativen zur rein kapitalorientierten Unternehmensführung gibt, bei denen der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Sie ist eine Rechtsform, die das Potenzial hat, soziale und wirtschaftliche Ziele harmonisch zu verbinden.

Aus rechtsphilosophischer Sicht ist die Genossenschaft ein starkes Argument dafür, dass die „verwirklichte Freiheit“ sich nicht nur im individuellen Wettbewerb oder der Unterordnung unter den Staat manifestiert, sondern auch in der freiwilligen und gleichberechtigten Selbstorganisation von Individuen, die gemeinsam wirtschaftliche und soziale Herausforderungen meistern. Sie ist ein Ausdruck der gelebten Solidarität und zeigt, wie Menschen durch gemeinschaftliches Handeln ihre Lebensbedingungen aktiv verbessern und die „Welt des Geistes“ in ihrer sozialen und ökonomischen Dimension gestalten können. Die Genossenschaft steht für eine Wirtschaft, die im Dienst der Menschen und ihrer Kooperationsbereitschaft steht.


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